Die junge Frau sitzt wie ein Häufchen Elend vor mir. Wir sprechen über ihre Performance in meinem Seminar. Ich finde, sie hat ein tolles Rollenspiel hingelegt. Doch sie schaut mehr auf ihre Füße als in mein Gesicht und murmelt: „Ach, im Vergleich mit meiner Kollegin war ich gar nicht gut.“

Ich finde das schrecklich!

Mit Stress kommt niemand an

Der Hang, sich zu vergleichen, wird Menschen schon im Kindesalter eingebläut. Es beginnt in der Schule, wo die Kinder ihre Noten gegeneinander ausspielen. Oder denken Sie nur an den Sport: Ich selbst erinnere mich an die dauernde Vergleicherei, wenn ich mit den Jungs kickte. Lobte mich der Trainer, fühlte ich mich wie der Größte – bis ich in die nächste Liga aufstieg und wieder das Gefühl hatte: „Boah, die sind alle so gut, ich kann ja gar nichts.“

So ein Vergleich spornt natürlich zu Bestleistungen an. Schließlich wollen Sie so gut wie die anderen sein. Außerdem ist es ohne Vergleiche kaum möglich einzuschätzen, wo Sie im Leben stehen. Oder wie sollte Lionel Messi ohne den Vergleich mit anderen Spielern wissen, dass er ein Weltklassefußballer ist?

Ich bin dennoch kein Freund von Vergleichen, denn es macht fast immer traurig. Der Andere hat vielleicht etwas, das Sie nicht haben, aber gerne hätten. Und seien Sie mal ehrlich: Irgendjemanden finden Sie immer, der etwas besser kann als Sie. Vergleichen erzeugt daher vor allem einen unglaublichen Stress.

Mord an der Motivation

Wer sich vergleicht, bekommt schnell den Eindruck, dass alle um ihn herum in Bewegung sind – außer er selbst. Das ist tödlich für die eigene Motivation. Zumal die meiste Zeit ja niemand wissen kann, wie viel Kraft die andere Person schon in ihren fitten Körper, ihre klasse Jobperformance oder ihren coolen Auftritt gesteckt hat. Vielleicht arbeitet sie schon jahrelang daran und der Vergleich ist somit völlig ungerecht.

Und selbst wenn der Vergleich positiv ausfällt, Sie also besser dastehen als der andere, heißt das ja noch lange nicht, dass Sie schon Ihr volles Potenzial ausgeschöpft haben. Wenn Sie sich nur wegen des Vergleichs mit einem Schwächeren besser fühlen, kann das reine Selbsttäuschung sein. Und die ist wiederum tödlich für Ihre Weiterentwicklung, weil sie Ihnen den Antrieb nimmt, dranzubleiben.

Vom Vergleich zur Selbstreflexion

Der Maßstab, anhand dessen Sie Ihr Leben beurteilen, sollten deshalb nie andere sein. Was zählt, sind Sie selbst. Wo stehen Sie und wo wollen Sie hin? Welche Wünsche und Ziele wollen Sie persönlich umsetzen? Das erfordert ein hohes Maß an Selbstreflexion, damit Sie weder tiefstapeln, noch sich selbst überschätzen. Doch nur so gelangen Sie zu einer Messlatte, die wirklich Ihnen entspricht.

Nun ist es mir natürlich bewusst, dass Sie das Vergleichen nicht so leicht von einem Tag auf den anderen abstellen können. Dann hilft es für den Anfang, die Perspektive zu wechseln. Wenn Sie merken, dass die Vergleicheritis im Kopf aufblinkt, drehen Sie den Spieß um. Schauen Sie nicht, was noch fehlt, um so gut zu sein wie die anderen, sondern fragen Sie sich zuerst: „Was habe ich heute gut gemacht? Womit habe ich mir Respekt eingehandelt – vielleicht auch nur vor mir selbst?“ Und sogar wenn Sie Ihren Auftritt nicht gut fanden, fragen Sie sich: „Welche Elemente waren schon gut? Und was habe ich daraus gelernt?“

Aber keine Sorge: Wenn Ihnen das zunächst schwerfällt, brauchen Sie kein schlechtes Gewissen haben. Vergleichen ist nicht prinzipiell teuflisch. Wenn es Ihnen also doch einmal passiert, achten Sie nur darauf, dass Sie es mit einer entspannten Grundhaltung tun. Vergleichen Sie sich als Hobbybasketballer also nicht gleich mit Dirk Nowitzki. Denn der sprengt sicher nicht nur Ihren Maßstab.

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