„Hey, was ist denn los?“, frage ich. Mein Freund schweigt und zieht die Mundwinkel nach unten.

„Ich habe da drüben unsere Station aufgebaut und wir machen uns einen schönen Tag!“ Ich hatte nämlich Prosecco im Rucksack und wollte ihn überraschen. Aber: Wieder Schweigen.

Ich gebe ihm einen Knuff in die Seite: „Mensch, manchmal kannst du echt ein Kotzbrocken sein.“ Er schweigt beharrlich weiter, dreht um und fährt auf seinen Skiern weg.

So hatte ich mir diesen Tag mit meinem Skilehrerkollegen nicht vorgestellt. Manchmal kommen Freundschaften überraschend an Grenzen und dann stellt sich die Frage, ob sie echt sind.

Schweigen ist nicht Gold

Der Skiurlaub hatte schon einen schlechten Start: Mein Freund war schon mies gelaunt, als die Reise losging. Natürlich muss er mich nicht in die Geschichte einweihen. Solche Tage kommen nunmal vor. Andererseits bin ich doch anscheinend nicht der Grund für seine miese Laune. Da kann er doch zumindest mal ein Wort zur Klärung sagen, zum Beispiel: „Mir geht’s gerade schlecht. Ich mag nicht drüber sprechen. Bitte gib mir Zeit.“ Dann ist alles klar und wir können offen und ehrlich miteinander schweigen.

So hatte ich jedoch das Gefühl, selbst Teil des Problems zu sein und die Sache belastete mich, denn ich konnte auch nichts weiter tun.

Kommunikativer Totalausfall

Wenn Kommunikation prinzipiell möglich ist, kann es in einer Freundschaft auch mal lange Phasen geben ohne Treffen und ohne miteinander zu sprechen. Beim ersten Kontakt nach längerer Zeit ist dann normalerweise schnell ein gutes Gefühl da: Es ist alles wie früher.

Die Totalverweigerung allerdings – so, wie sie durch meinen Freund erfolgte – ist für eine Freundschaft Gift. So wird der andere im Zweifel gelassen, ob er etwas falsch gemacht oder womöglich selbst zu der schlechten Atmosphäre beigetragen hat. Die fehlende Klärung und der Zweifel nagen dann am gegenseitigen Vertrauen.

Freunde dürfen mehr

Schließlich geht es hier um eine Beziehung zwischen zwei erwachsenen Menschen. Da trägt jeder auch einen Teil Verantwortung. Solange Sie also dem anderen sagen, woran er ist, haben Sie Ihre Verantwortung erfüllt. Und der andere bekommt die Chance, ebenso seine Verantwortung anzunehmen und respektvoll zu reagieren.

Solange dieser ehrliche Umgang gepflegt wird, ist auch ein gemeinsames Schweigen möglich oder jeder andere Ausdruck von Gefühlen – seien es nun gute – wie Freude und Spaß – oder schlechte wie Wut, Trauer und Neid. Das kann auch mal bedeuten, dass Sie sich sagen: „So mag ich das nicht. Ich brauche es anders.“

Suchen Sie die Konfrontation

Und auf dieselbe Art und Weise sollte auch mal ein ehrliches, starkes Wort möglich sein, wie ich es gegenüber meinem Freund benutzt hatte. Es kann sogar genau das Richtige sein, um die Situation ein für alle Mal zu klären. Ihr Freund darf sich ja wehren und sagen, was er braucht und was er nicht mag. Wenn Ihr Freund Sie allerdings durch sein Schweigen im Unklaren lässt, müssen Sie sich keinen Vorwurf machen. Denn er nimmt seine Verantwortung als Freund nicht ernst.

Eine Freundschaft ohne Verantwortungsübernahme ist nicht mehr als eine Bekanntschaft. Das bedeutet, dass Sie sich nicht voll und ganz auf den anderen verlassen können. Wenn Sie also unsicher sind, wie echt und beständig eine Freundschaft ist, suchen Sie die Konfrontation. Selbst wenn das dann das Ende der Freundschaft bedeuten sollte, ist das besser als eine lange Unklarheit, die Sie belastet. Denn Klarheit zu erlangen, macht nicht nur Ihre Freundschaften stark, sondern auch Sie selbst.

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