Ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit einem 67-jährigen Unternehmer, das mich sehr berührt hat. Wir kennen uns nun schon gut ein Jahrzehnt, haben uns bei verschiedenen Gelegenheiten getroffen, ich konnte ihn bei seinen öffentlichen Auftritten unterstützen. An besagtem Tag spielten wir zusammen bei herrlichstem Wetter Golf. Danach ließen wir den Tag bei einem guten Tropfen Wein ausklingen. Dabei sprudelte es aus ihm heraus: Er wolle sein Unternehmen an seinen Sohn weitergeben. Aber wie soll er das machen mit der Nachfolge? „Wie kann ich ihm helfen, da gut reinzuwachsen, wo er doch so ganz anders denkt als ich und die Dinge auch komplett anders anpackt? Ich will ihm nicht reinreden“, sagte er, „Aber ich habe das Unternehmen zu dem gemacht, was es heute ist, da ist mein Herzblut drin.“
Und ich dachte: Was für eine Herausforderung. Wie würde ich damit umgehen? Was würde ich sagen, wenn meine Tochter mir sagt: „Papa, ich möchte im Unternehmen deine Nachfolge antreten“?
Würde ich das bei allem Stolz auch als Chance für meine Entwicklung begreifen?
Unternehmensnachfolge – da treffen Welten aufeinander
Tausende Unternehmen in Deutschland stehen vor der Nachfolge-Frage: der Nachfolge-Problematik. Für die Unternehmerinnen und Unternehmer, die den Staffelstab an die jüngere Generation weitergeben, ist das eine ganz entscheidende Phase in ihrem Leben (um die Perspektive der nachfolgenden Generation möchte ich mich gerne in einem späteren Blog kümmern). Schließlich geht es um so wichtige Themen wie das eigene Lebenswerk oder die Verantwortung, die ein Unternehmer gegenüber der Belegschaft spürt. Es geht um Vertrauen: Stell dir vor, du übergibst dein Lebenswerk an dein Kind? Wie fühlst du dich? Vertrauensvoll, stolz? Oder auch zweifelnd, in Habachtstellung, ob der Junior denn in deinem Sinn arbeitet? Immer bereit, einzuspringen, wenn etwas nicht rundläuft?
Bei der Unternehmensnachfolge treffen Welten aufeinander – und weil meist andere Menschen davon betroffen sind, Mitarbeiter, Kunden, bekommt die Generationen-Thematik noch eine besondere Brisanz. Du kannst dieses Zusammentreffen unterschiedlicher Welten als Chance für alle Beteiligten begreifen: Weil an der Stelle des Zusammentreffens so viel passieren kann, wenn zum Beispiel der Senior es zulässt, dass sich die Welt des Jüngeren in die seine schiebt. Der Senior nicht einfach nur abblockt – und die Welten stoßen sich ab, driften auseinander.
Im Moment der Nachfolge, in seiner Haltung dazu, zeigt sich, aus welchem Holz der Senior als Mensch geschnitzt ist.
Generationen neu denken – sich neu denken
Meine Tochter ist gefühlt immer unterwegs, kann von überall aus arbeiten, verpasst aber auch nicht, ihr Leben zu genießen. Sie hat eine ganz andere Haltung zur Arbeit als ich, weil sie – ohne dabei unambitioniert zu sein – mehr Wert auf Balance legt. Von ihr zu lernen, ist für mich eine Riesenchance. Die Nähe zu ihr und auch mein Vertrauen in sie, dass sie ihren Weg gehen wird, machen mir Lust darauf, mich weiterzuentwickeln, etwas Neues kennenzulernen, eine neue Welt zu entdecken.
Gleichzeitig aber halte ich in meiner Welt viele Dinge auch für richtig und wichtig und denke, hier kann meine Tochter von mir lernen.
Oft scheint es mir so zu sein, dass es dem Alten schwerfällt, dem Jüngeren sein Anderssein zu verzeihen – und umgekehrt auch. Der Alte denkt, die Jüngeren setzen sich ins gemachte Nest und schaffen selbst nicht auf vernünftige Weise. Die Jungen halten alles Alte für – na ja – alt, von gestern, überholt, irrrelevant für die eigene Zukunft.
Das ist unproduktiv, macht auch keine Freude, und ich möchte mit meiner Tochter Freude haben, Freude an mir haben, Freude haben, gemeinsam in die Zukunft zu gehen.
Für uns, die ältere Generation, ist genau das die Chance: an der eigenen Balance zu arbeiten, offen für Neues zu sein, aber auch die eigene Erfahrung wertzuschätzen. Ein Vorbild für eine Haltung zu sein, die andere Menschen und ihre Eigenarten als Chance für Entwicklung begreift.
Die Chance für einen persönlich: seinem Leben eine neue Richtung geben.
Die Chance, um die Generationen zusammenzubringen, auch die Jüngeren offener werden zu lassen für ihre eigenen Entwicklungsmöglichkeiten, wenn sie ab und zu mal auf die Älteren hören.
Ich finde, so eine Haltung macht starke Persönlichkeiten aus. Sich seines eigenen Wertes klar zu sein, sich aber gleichzeitig nicht absolut zu setzen und Freude daran zu haben, an sich zu arbeiten. So eine Haltung wirkt, sie macht Eindruck – es steht uns Älteren gut zu Gesicht, hier mit gutem Beispiel voranzugehen.