Was hält Sie eigentlich davon ab, etwas für sich zu tun? Das fragte ich auch meinen Freund, der vor mir im Krankenhausbett lag und immer dicker wurde. „Ja ja, du hast ja recht. Ich weiß schon“, sagte er resigniert. „Und machst du was?“ fragte ich.

„Ja ja, meine Gymnastik“, murmelte er. Seine Knieprobleme werden immer schlimmer und auch sein Herz spielt nicht mehr mit. Richtig aufraffen, etwa zu tun, kann er sich trotzdem nicht.

Sie können sich vorstellen, dass ich mir Sorgen um ihn mache: Warum tut er nichts? Sicher: Er ist schon älter. Der Autor Anselm Grün meint in seinem Buch „Ich bin müde“ ja, die Menschen würden müde im Alter, weil sie schon so viel gesehen und erlebt haben. Ich frage mich, ob das alles ist. Es gibt doch prominente Beispiele für Menschen, die bis zu ihrem Tod sehr aktiv waren.

Senioren in der Sinnkrise

Mir scheint, dass viele Senioren in einer Sinnkrise stecken. Das sind oft Menschen, die ihr gesamtes Leben in den Dienst anderer gestellt haben. Sie haben hart gearbeitet, um die Kinder durch die Schule zu bringen. Oder Sie haben unermüdlich im Familienunternehmen geschuftet. Sie haben sich aufgeopfert und das war ihr Lebenssinn. In ihrer alten Funktion können sie aber heute nicht mehr arbeiten und so kommen sie zu dem Schluss: „Mich braucht doch keiner mehr.“ Vielleicht haben Sie das ja auch schon mal von einem lieben Menschen gehört.

Versetzen Sie sich mal in die Position eines solchen Menschen: Wenn ihr Selbstwertgefühl komplett von außen aufgebaut ist, bleibt eben nichts übrig, wenn ihre Rolle, ihre Funktion wegfällt, die sie früher mal ausgefüllt haben.
Und wenn es Ihnen selbst auch schwerfällt, etwas für sich zu tun, dann gehören Sie vielleicht ebenfalls zu den Menschen, deren Selbstwertgefühl an die Bewertung durch andere gekoppelt ist. Nur dass Sie wahrscheinlich noch voll im Leben stehen und diese Bestätigung von außen bekommen. Sie können aber davon ausgehen, dass es Ihnen dann irgendwann genauso gehen wird wie meinem alten Freund.

Mehr Selbstwertgefühl

Die Frage ist also: Wie kann ein von innen kommendes Selbstwertgefühl aufgebaut werden? Das geht nur, indem Sie sich Ihren Wert als Person bewusst machen!

Wenn jemand in Ihrem Umfeld Schwierigkeiten damit hat, können Sie ihm dabei helfen, indem Sie mit ihm eine Tabelle anlegen. Links schreiben Sie auf, was er selbst an sich schätzt. Rechts, was andere an ihm schätzen. Allein die Unterschiede zwischen diesen beiden Listen sind für viele Menschen ein Aha-Erlebnis.

Schreiben Sie auch auf, was er seiner Meinung nach gut kann, für welche Talente und Gaben er dankbar ist. Allein, intensiv darüber nachzudenken, bewirkt viel. Und an jedem Abend notieren Sie kurz mit ihm, was heute gut geklappt hat und was er vielleicht Gutes über sich gehört oder erlebt hat. Hat ihn jemand gelobt oder ihm ein Lächeln geschenkt? An manchen Tagen fällt ihm vielleicht nichts ein, dafür an anderen zwei oder drei Erlebnisse.

Wertschätzung erlebbar machen

Diese Methode braucht viel Disziplin. Dafür macht sie Wertschätzung erlebbar. Und jungen wie alten Menschen zeigt sie, dass es andere gibt, die sie mögen und sich freuen, dass sie da sind – auch wenn sie nichts mehr für diese anderen tun können. Jeder Mensch hat also einen Wert, der nicht mit seiner Tätigkeit verbunden ist, sondern mit seiner Person. Die Erkenntnis lautet: Ich bin wertvoll, weil ich da bin.

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