Die Königsklasse des Luftmachens – über Emotionen

Achtsamkeit, Auftreten und Wirkung, Beziehung
Die Königsklasse des Luftmachens – über Emotionen - Stefan Reutter

Ich geb’s ja zu: Ich lach mich wirklich lockig über diese Ausraster-Videos auf Youtube. Grundsolide Menschen, die plötzlich ausflippen und ihr 800-Euro-Smartphone gegen die Wand knallen oder ihren Computer zu Schrotteinzelteilen zerhauen. Unglaublich! Und auch so lehrreich mit Blick auf etwas, was uns in unserer Gesellschaft, in unseren Unternehmen oftmals fehlt …

Okay, blöde. Aber auch so lustig …

Eines der Videos ist mir besonders in Erinnerung geblieben: das Video von diesem Typen, der seinen PC zu Hackschnitzeln verarbeitet. Sie müssen sich das so vorstellen: Ein Mann – aus irgendeinem Grund sind es meistens Männer – arbeitet an seinem Computer. Aber irgendwas scheint ihn zu stören. Er drückt ständig auf die gleiche Taste. Erst noch ruhig, dann immer schneller und vehementer. Schließlich hämmert er mit der Faust auf die Tastatur. Auf dem Bildschirm regt sich weiterhin nichts. Der Mann wird rasend. Er packt die Tastatur und knallt sie gegen den Schreibtisch. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann bricht sie entzwei. Mit der kaputten Tastatur brät er dann dem Bildschirm eins über. Mit so großer Wucht, dass der vom Schreibtisch auf den Boden kracht. Zu guter Letzt springt er wie Rumpelstilzchen auf dem Elektroschrotthaufen herum. Herrlich!

Okay, natürlich ist es blöde, sich anzuschauen, wie einer materiellen Schaden anrichtet. Aber irgendwie ist es auch herzerfrischend, sowas hin und wieder zu sehen. Die meisten Menschen lachen, wenn sie solche Szenen sehen.

Warum? 

Emotionen – die Realität …

Weil so ein Ausrasten, Rumfuchteln und Durchdrehen in der Gesellschaft nicht opportun ist. Weil man sich so nicht öffentlich verhalten soll. Weil es sich nicht schickt. „Das macht man nicht!“, heißt es dann.

Aber eben auch, weil solche allzu menschlichen Regungen die Wirklichkeit abbilden: Es herrscht nun mal nicht immer Friede und Freude auf Erden! Von Eierkuchen ganz zu schweigen. Manchmal haben wir einfach die Schnauze voll. Die Frage ist: Was machen Sie, wenn Sie die Schnauze voll haben? Wenn Ihnen etwas gegen den Strich geht? Wenn Sie wütend werden?

Ich kenne das, Sie kennen das: Ein leises Genervtsein verwandelt sich bei anhaltendem Auslöser in Ärger, den Sie aber tunlichst unterdrücken. Ist ja unangenehm! Und Sie haben gerade Wichtigeres zu tun, als sich entsprechend aufzuführen. Außerdem fürchten Sie die Nachteile eines Gefühlsausbruchs.

Also drücken Sie die aufwallenden Emotionen weg. Der runtergeschluckte, aufgestaute Ärger köchelt im Inneren weiter und verwandelt sich in Frust. Und wenn es dem Organismus reicht, entlädt sich der ganze Frust irgendwann endlich in einem kapitalen Wutausbruch, damit Sie nicht vor lauter unterdrücktem Ärger krank werden.

Nur: Oft kriegen auch unschuldige Mitmenschen bei solchen Wutausbrüchen den ganzen Ärger ab. Einfach, weil sie gerade da sind. Und das ist nicht okay.

Sich Luftmachen, die Königsklasse …

Denn: Moderatere Wutbolde müssen einfach nur mal mit der Faust auf den Tisch hauen – oder sie werden kurz laut. Solche kleinen Überreaktionen sind wie ein reinigendes Gewitter: Der Dampf darf raus, und die Sonne kann wiederkommen.

Und natürlich gibt es auch die Könner, die ihren Ärger so kanalisieren, dass sie sehr wohl zeigen, dass sie wütend sind über was weiß ich was – und dennoch ihrem Kollegen oder ihrem Partner gegenüber allen Respekt bewahren. Selbst wenn sie sich ganz konkret über den Menschen ärgern, der jetzt gerade vor ihnen sitzt, können die Wut-Profis auf Augenhöhe kommunizieren, unabhängig von der Position oder dem Status des Gesprächspartners. Dieses Verhalten ist die Königsklasse.

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