Selbstsorge heißt nicht: Sie müssen alles alleine schaffen!

Achtsamkeit, Selbstwert
Selbstsorge heißt nicht: Sie müssen alles alleine schaffen! - Stefan Reutter

Als Baby war alles noch so schön einfach: Mama hat gefüttert, Papa hat gewickelt, dann gab es noch Knuddeleinheiten. Von vorne bis hinten wurden wir bedient und umsorgt. ,Geht es dem Kleinen auch gut? Oh guck, mal er schreit, hat bestimmt Hunger. Oder ist es der erste Zahn? Muss sie vielleicht sogar zum Arzt?’

Aber wir werden älter. Und irgendwann wird von uns erwartet, dass wir auf eigenen Füßen stehen. Und das wollen wir ja auch. Eigene Entscheidungen treffen. Eigene Erfolge feiern. Leistung erbringen – und dafür Lob und Anerkennung einheimsen. Aber kein Erfolg ohne Scheitern. Und hier liegt das Problem vieler Menschen …

Im Abhang verloren

„Ich hab doch gesagt, ich kann das nicht!“ Mein Skischüler starrte mich wutentbrannt an. Gleich nach dem ersten Schwung war er gestürzt: den Hang hinuntergerutscht, Skier verloren, das volle Programm. Jetzt schüttelte er sich den Schnee von der Kleidung und schimpfte weiter: „Ohne dich wäre ich niemals gefahren. Ich hab dir vertraut.“ War ich schuld an seinem Sturz? Natürlich nicht. Seine Forderung vor der Abfahrt war, nicht als Letzter zu fahren. Aber dabei hatte er den wesentlichen Kern der Botschaft außen vor gelassen …

Achtsamkeit: der erste Schritt zu Ihnen selbst

Sich um sich selbst zu sorgen bedeutet nicht nur, dafür zu sorgen, dass Essen auf dem Tisch steht. Selbstsorge, Selbstverantwortung beginnt mit Achtsamkeit: Wie geht es mir gerade, wie fühle ich mich in dieser Situation? Nichts anderes tun die Eltern beim schreienden Baby. Wie fühlt es sich wohl? Das ist nicht immer leicht. Genauso wenig wie eine Verbindung zu den eigenen Gefühlen aufzubauen. Wir dürfen lernen, uns selbst aufmerksam zu begegnen, wie einem kleinen Baby: Wie sieht es gerade in Ihnen aus?

Mein Skischüler hätte wohl geantwortet: ,Ich bin echt unsicher und fühle mich total überfordert im Tiefschnee. Ich habe das noch nie gemacht. Ich habe Angst, wenn ich den Hang runterschaue. Meine Knie zittern. Eigentlich will ich gar nicht fahren.’ Stattdessen setzte er eine coole Miene auf und wies einen anderen Fahrer an, hinter ihm zu fahren. Er überspielte seine inneren Gefühle, wahrte die Fassade anstatt zu sagen: ,Man, ich komm gerade nicht klar.’

Hilfe annehmen: Sorgen Sie wirklich für sich selbst!

Und ja: Dieser Schritt nach Außen ist nach der Wahrnehmung des eigenen Innenlebens die nächste Hürde, vielleicht sogar noch schwieriger. Karten auf den Tisch: So sieht mein Innerstes gerade aus. 

Ja, mit diesem Schritt legen Sie sich blank, zeigen sich, aber nur auf diese Weise schaffen Sie Verbindung zu Ihrer Außenwelt. Denn Selbstsorge bedeutet nicht, dass Sie alleine klarkommen müssen.

Sobald ein kleines Kind kann, ruft es, was es will, es gibt preis, wie es sich fühlt: „Aua! Hunger! Kaka! Spielplatz!“ Oh, das Kind ist verletzt, es hat Hunger, es will spielen. Sofort weiß die Außenwelt, was zu tun ist. Sie nimmt die Bedürfnisse des Babys wahr und kann darauf reagieren.

Das wäre die Botschaft gewesen, die ich und die anderen Fahrer hätten verstehen können: ,Bleib bei ihm. Motiviere ihn. Stärke ihn und hilf ihm auf, wenn er fällt. Ah, das fühlt er gerade.’ Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist kein Solo. Es beginnt mit dem Einchecken bei sich selbst, mit einem achtsamen Umgang; um das eigene Innenleben dann nach außen zu kommunizieren. Dann werden Sie verstanden und können Hilfe annehmen. Dann sorgen Sie wirklich für sich selbst, so wie Sie auch für andere sorgen würden. Denn, wie es so schön heißt: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.