Jetzt ist es passiert. Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, nicht schwarz zu sehen (darf „man“ das eigentlich noch sagen? Schwarz sehen …) – und vor allem auch nicht mit meiner Einschätzung zu übertreiben. Und so war ich zurückhaltend gewesen, als ich in meinem Buch über die Sprachpolizei schrieb. Und über so „gefährliche“ Wörter wie „Mohrenkopf“ und „Zigeunerschnitzel“. Ich wollte nicht „schwarz sehen“, ich hatte die Hoffnung, dass wir mehr Charakter haben …
Doch jetzt hat die Sprachpolizei einen so großen Sieg errungen, dass ich wirklich gerne nicht mehr zurückhaltend sein möchte. Wirklich streiten, vielleicht sogar mit Ihnen streiten möchte ich, um des lieben Friedens Willen. Denn Knorr hat die „Zigeunersoße“ umbenannt.
Zigeunersoße und Charakter
Ich finde es grauselig (ein schönes altes deutsches Wort), dass mittlerweile jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird – und um es unverblümt zu sagen: Ich habe die Schnauze voll von der ganzen Diskussion um „korrekte Sprache“.
„Hallo Knorr! Haben Sie denn keinen Charakter?“ Nur weil der sprachpolizeilich auf Linie gebürstete Mainstream ein Wort wie „Zigeunersoße“ nicht ganz so korrekt findet, ändert Knorr den Namen der seit vielen Jahren beliebten Soße. Weil sie Schiss haben, falsch verstanden zu werden. Geht’s noch?
Apropos Zigeunersoße … Hier bin ich ja gewissermaßen persönlich involviert. Denn mein Vater hatte ein Restaurant, das machte für meinen Geschmack und für viele Gäste die besten Zigeunerschnitzel weit und breit. und jedem, der das Gericht auf der Karte las, war klar: Dieser Name suggeriert etwas Tolles. Zigeunerschnitzel und Zigeunersoße erzählen eine positive Geschichte, damit schwingen für mich viele schöne Erinnerungen mit. Bilder, die gefallen. Und auf jeden Fall nichts Schlechtes, was uns die Sprachpolizei ja einreden will.
Gäbe es diese oberkorrekten Oberkorinthenkacker nicht, dann würde sich keiner mit einer solchen Diskussion aufhalten. Ein Zigeunerschnitzel hat Charakter – und der Genuss dieser kulinarischen Spezialität macht uns genauso wenig zu schlechten Menschen, wie das Aussprechen des Wortes „Zigeunerschnitzel“. Oder des Wortes „Zigeunersoße“. Oder eines Namens wie „Zum Mohren“ für ein Restaurant.
Typisch deutsch
Typisch deutsch scheint mir zu sein, dass wir glauben, dass wir, wenn wir solche Wörter verwenden, unseren Geist, unsere Seele infizieren: Als wenn uns diese Wörter zu Rassisten machen. Also verbieten wir diese Ausdrücke – und glauben, die Menschen denken dann anders. Was für ein Schwachsinn. Und nur aus diesem Grund lassen wir die Sprachpolizei walten. Weil wir mittlerweile alle so verunsichert sind und bloß nichts falsch machen wollen.
Ich finde es gefährlich, dass uns immer wieder unterstellt wird, wir würden „Ausländer“ nicht richtig, nicht fair, nicht menschlich behandeln, wenn wir ein Wort wie „Zigeunersoße“ benutzen. Oder habe ich mich falsch behandelt gefühlt, weil ich als Deutscher „Kartoffel“ genannt wurde?
Drah dich nicht um …
„Kartoffel“, so nannte mich damals immer mein bester Freund, ein schwäbischer Türke, als wir noch zusammen beim VFB Stuttgart kickten. Ich war die „Kartoffel“, er war „Döner“, unser italienischer Mannschaftskollege war der „Spaghettini“ … Stellen sich Ihnen bei diesen Wörtern schon die Nackenhaare auf? Drah di net um, die Sprachpolizei geht um …
Aber so war das. Ich bin in einer Multi-Kulti-Welt aufgewachsen, wir haben geredet, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Wir haben zusammen gespielt, zusammen gewonnen, zusammen verloren. Wir haben uns geliebt. Wir haben uns gestritten und wieder Frieden geschlossen. Wenn uns heute jemand so reden hören würde, wie wir damals miteinander geredet haben, würde die Sprachpolizei kommen. Ist das nicht schrecklich?
Keine Schubladen
Weil ich das schrecklich finde, habe ich mein Buch geschrieben, denn ich finde diese Entwicklung schrecklich gefährlich. Wir bauen Lager auf, stecken Menschen in Schubladen, wo wir nur Menschen sehen sollten. Wir haben mehr und mehr Angst, dass wir falsch verstanden werden könnten. Wir machen uns klein, damit wir im Mainstream nicht auffallen. Wir verlieren unseren eigenen Charakter.
„In jedem Land ist es das Gleiche: es gibt gute Menschen, es gibt Arschlöcher!“, sagte mein Teamkamerad aus Bella Italia – und das ist es, worauf es ankommt. Charakter haben – und ich für meinen Teil möchte ein guter Mensch sein (und dazu gehört keine Angst davor zu habe, dass mich manche für ein Arschloch halten).
Und deswegen sage ich, wie es ist: Heißt die Gaststätte „Zum Mohren“, dann ist das so. Und Zigeunersoße ist Zigeunersoße. Basta.