Wie viel Antisemit steckt in Ihnen?

Presse
Reutter, Antisemitismus, Hass

„Alarmstufe Roth – Wie Antisemitismus in Deutschland salonfähig wird“ – titelte neulich die Bild-Zeitung. Und da musste ich schlucken: Salonfähig? Das hieße doch letztlich, dass jeder Deutsche Antisemit ist, oder? Hmm … das erlebe ich in meinem Bekanntenkreis, im Alltag und in den Medien völlig anders. Und deshalb sehe ich in der Überschrift selbst ein Problem …

Hass nach Schubladen

Vorweg: Die Verbrechen der Nazis an den Juden sind schlimm, einzigartig grausam und daraus haben wir Deutschen gelernt. So sehr, dass die allermeisten eben keine Antisemiten sind. Und deshalb stört mich die Überschrift. Da wird ein komplexer Sachverhalt verkürzt, für die Quote total überspitzt und in Schubladen verpackt: „Das sind die Judenhasser!“ – und wenn Sie mit der Überschrift nicht einverstanden sind, gelten Sie wohl auch als Judenhasser. Aber wo werden die vielen, vielen anderen genannt? Hass verkauft sich eben besser als Positives und Extremes besser als Kompliziertes.

In Deutschland gibt es nicht nur Antisemitismus, den Hass auf Juden. Sondern den Hass finden Sie überall: Es gibt den Hass auf Türken, Flüchtlinge und, ja, auch den Hass auf Deutsche. Für mich ist jegliche Art von Hass unverständlich. Und so steht die Bild-Überschrift für das Problem hinter dem Problem: für die Lust am spalten. Ständig werden wir in den Medien in zwei Lager unterteilt, der Hass wird geschürt und die Spaltung unserer Gesellschaft nimmt zu. Was können Sie und ich dagegen tun? 

Arschloch bleibt Arschloch

Für mich gibt es nur Menschen auf der Welt! Und die Charakterzüge eines Menschen haben nichts mit der Nationalität oder Gruppen zu tun. Solange die Menschen aber ständig in Schubladen gesteckt werden, dort die Judenhasser, dort die Klimaleugner, hier die Türken, dort die Deutschen, wird der Hass immer mehr zunehmen. Es bringt nichts, die Menschen mit Vorurteilen zu beladen und mit Stereotypen zu versehen: Ich bin Deutscher – sehr gerne sogar –, aber ich bin zugleich sehr temperamentvoll, manchmal sogar richtig heißspornig. Mit diesen Charakterzügen müsste ich doch eigentlich als Südländer gelten? Darf ich das dann als Schwabe nicht sein? Genausowenig wie ein Jude keine Saitenwürstchen mit sauren Linsen und Spätzle essen dürfte?

Ich will, dass wir in unserer Gesellschaft alle zusammenleben können. Und dabei gilt für mich, was wir früher auf dem Fußballplatz sagten: „Arschloch bleibt Arschloch, egal woher jemand kommt.“ Damals beim VfB Stuttgart habe ich mit X-Ausländern zusammengespielt, wobei das gar nicht mehr auffiel. Denn bei uns war das vollkommen egal, welche Nationalität oder Hautfarbe jemand hatte. Hauptsache jemand konnte kicken und war menschlich okay. Danach möchte ich Menschen beurteilen – und danach sollten auch die Taten in den Medien beurteilt werden. 

Nur weil Frau Roth mit iranischen Militärs spricht, werden nicht alle Deutschen – wie der Bild-Bericht nahelegt – zu Judenhassern. Vielmehr spalten die Übertreibungen, Zuspitzungen und Extreme unsere Gesellschaft und schüren den Hass. Und Hass ist einfach nur dumm – ganz egal, um welche Gruppen oder Nationen es geht.

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