Sag doch mal ehrlich …

Auftreten und Wirkung
Ehrlichkeit, ehrlich, Stefan Reutter, Gesellschaft

Ich bin zur Zeit viel mit dem Flieger unterwegs und da fallen mir immer wieder Kommunikations-No-Gos auf. Nicht weil die Besatzungen oder die Passagiere so außergewöhnlich sind – sondern gerade weil sie so sind wie Sie und ich. Wir haben uns in der Gesellschaft einfach eine Menge kommunikativen Blödsinn angewöhnt, der mich aufregt, weil wir uns damit das Leben selbst schwer machen. 

Eine Unsitte, die ich sogar richtig gefährlich finde, habe ich zum Beispiel letzte Woche erlebt …

Ehrlich keinen Tee?

„Haben Sie auch einen schönen, warmen Tee?“ fragt ein Mann zwei Reihen vor mir die Stewardess. Da der Flug nur kurz ist, hatte ich mich diesmal für die Economy-Class entschieden. 

Die Stewardess schüttelt bedauernd den Kopf und antwortet: „Nein, heute haben wir leider keine Heißgetränke an Bord.“

Gleichzeitig sehe ich, wie vorne in der Business-Class ihre Kollegin gerade Kaffee serviert. Und ich dachte: ‚Hallo? Was geht denn hier ab?‘

Einen Sch…

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe überhaupt nichts dagegen einzuwenden, dass in der ersten Klasse mehr geboten ist als in der zweiten. Wer mehr bezahlt, ist A-Kunde. Und ich als Kunde habe mir beim Buchen aussuchen können, was ich wähle. Es lag an mir.

Was mich aber nervt, ist, dass die Stewardess den Economy-Passagier offensichtlich für dumm verkaufen wollte. Statt offen und ehrlich zu sagen, dass in dieser Klasse heute eben nur kalte Getränke geboten sind, erzählt sie einen Sch … 

Dieses Verhalten können Sie an unglaublich vielen Ecken beobachten. Ein typisches Beispiel ist, dass in Unternehmen die Dinge gegenüber den Mitarbeitern anders, schöner dargestellt werden als sie tatsächlich sind. Warum tut ein Chef, warum tut die Stewardess das?

Respektlos

Ich sehe dafür zwei Gründe. Entweder wollen die beiden sich selbst unangenehme Diskussionen ersparen und halten ihr Gegenüber für dumm genug, die Unwahrheit zu glauben. Oder sie denken, dass das Gegenüber die Wahrheit nicht aushalten kann. Sie maßen sich also an, zu entscheiden, was der andere verkraften kann und was nicht.

Welche Variante auch beim Einzelnen dahinter steckt: Sie zeugt von einer respektlosen Grundhaltung. Und das regt mich auf, weil daraus eine echte Gefahr erwächst …

Ehrlicher Respekt

Überlegen Sie, was passiert, wenn Sie Menschen ständig für dumm verkaufen: Die werden es zumindest latent spüren und entsprechend immer misstrauischer werden. Ihre Glaubwürdigkeit ist passé. Im Unternehmen hat das zur Folge, dass die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Haus schwindet. Und falls der Betrieb vorher schon in Schwierigkeiten war, wird dadurch alles nur noch schlimmer. 

Wenn dagegen die Menschen spüren, dass ihnen jemand reinen Wein einschenkt, zahlen sie das in Vertrauen zurück. Wenn der CEO sich hinstellt und offen sagt: „Ja, ihr müsst Angst um eure Arbeitsplätze haben“, werden sich die Leute viel mehr reinhängen und zu Rettung beitragen, als wenn der Chef ewig herumeiert. Davon bin ich überzeugt. 

Deshalb gilt mein Appell nicht nur für alle Stewardessen und CEOs: Halten Sie die anderen nicht für dumm, sie sind cleverer, als Sie denken. Zollen Sie ihnen Respekt und sagen Sie ihnen die Wahrheit. Damit fahren wir alle besser!

3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Guten Tag ,
    ich fand es sehr interessant zu lesen, wie Sie von Ihrem Flug berichtet haben , wo leider keine Heißgetränke serviert wurden. Ich kann Ihre Denkweise als ein Flugbegleiter verstehen aber es gibt manchmal Sachen, die wir auf einem kurzen Flug nicht Jedem einzelnen erklären können. In Ihrem Fall gehe ich davon aus, dass das Wasserboiler aufm Flug defekt war oder vielleicht das Wasser kontaminiert war und deswegen kein Heißgetränk serviert werden konnte. Manchmal gibt es in einigen Maschinen eine Art Wasserkocher , wo man Flaschenwasser kochen kann , um Heißgetränke zu servieren.. So wie Sie wahrscheinlich auch verstehen können, wäre es nicht möglich, auf den kurzen Flügen immer wieder mit dem Wasserkocher Wasser zu kochen , um Tee/ Kaffee zu servieren.Daher ist es für mich verständlich, dass die Kollegen es nur in Business Class serviert haben .. Verhältnismäßig sitzen letztendlich in Business Class weniger Gäste als in der Economy Class, sodass man mit dem Wasserkocher Heißgetränke anbieten kann.. Bevor Sie solche Fälle beurteilen , würde ich Ihnen empfehlen, direkt die Kollegen anzusprechen , um den Grund zu wissen sonst fände ich zu schade , dass Sie als Außenstehender das beurteilen..

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  • Hallo Stefan,

    Du triffst damit einen ganz besonders wunden Punkt in unserer heutigen Unternehmensgesellschaft. Sicher auch einer der Gründe warum wir so viele Menschen haben, die innerlich gekündigt und keinen Bock mehr auf Chefs haben, oder anderes dummes Gesülze. Aber wir treiben es ja selbst auf die Spitze, wenn die Putzfrau heute nur noch den Raum pflegt statt sauber zu machen und die Teamassistentin leider nur noch assistiert statt eigenverantwortlich zu handeln. Dazu die meisten GFs die keine ERntscheidungen mehr fällen wollen usw. alles mit fehlender Transparenz und keinesfalls authentisch und wie Du sagst mit Dummverkaufen der Mitmenschen. Wo sind sie, die Dinge beim Namen nennen, nicht um den heißen Brei herum reden und Hinterfragen? Aber immehin hat das ganze was positives, es sicher solchen wie uns langfristig den Lebensunterhalt :).
    Grüße
    Bernd Kühme

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  • Diese Worte .machen mich sehr nachdenklich.
    Dazu kann ich nur sagen, in der Regel – so hab ich es beim Busverkehr erlebt, wer sich beschwert , die Dinge beim Namen nennt, wird asozial behandelt. Es wird nicht reagiert, aufgelegt, uninteressiert zur Kenntnis genommen. Umgesetzt wird es sehr selten

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